Diagnostik der Textproduktion mit dem neuen Cookie-Theft-Bild Teil B: Erhebung von Normdaten für den Kernwortschatz
Hintergrund : Es existieren unterschiedliche Analysemaße, um die gelenkte Spontansprache standardisiert zu erfassen. Die Ermittlung des Kernwortschatzes als Maß für die Typizität der verwendeten Wörter wird zunehmend zur Untersuchung des Wortabrufs gelenkter Spontansprache bei Personen mit neurogenen Störungen der Sprache eingesetzt (Dalton et al., 2020; Kim et al., 2019). Das Cookie-Theft-Bild (CTB) (Goodglass et al., 2001) ist weit verbreitet, um gelenkte Spontansprache durch eine Bildbeschreibung zu elizitieren. Berube et al. (2019) veröffentlichten eine neue CTB-Version, für welche inzwischen englischsprachige Normdaten zum Kernwortschatz vorliegen (Dalton et al.,2024). Im Rahmen einer Masterarbeit wurde der deutsche Kernwortschatz für das aktualisierte CTB anhand von Daten sprachgesunder Personen entwickelt. Für die klinische Nutzung wurden zudem altersspezifische Normen erstellt. Methode: Bildbeschreibungen anhand des CTB von insgesamt 80 sprachgesunden Personen wurden untersucht (22-89 Jahre, MW=58,42). In Anlehnung an Dalton und Richardson (2015) wurden Inhaltswörter, die mindesten 50 % der Personen produzierten, als Kernwörter definiert. Nach Entwicklung des Kernwortschatzes wurden normative Daten für vier verschiedene Altersgruppen erstellt. Zudem wurden orientierend Bildbeschreibungen von Personen mit Aphasie und/oder Sprechapraxie (n=10) ausgewertet und auf Zusammenhänge mit der Benennleistung auf Einzelwortebene (LEMO 2.0) sowie dem Kommunikationsverhalten (in Anlehnung an den AAT) geprüft. Ergebnisse: Es wurden insgesamt 25 Inhaltswörter (9 Verben, 16 Nomen) als Kernwortschatz-Items für das neue CTB identifiziert. Die sprachgesunden Personen produzierten durchschnittlich 17,1 Wörter (6,5 Verben, 10,6 Nomen) des Kernwortschatzes. Es zeigte sich ein Einfluss des Alters auf die Anzahl der produzierten Kernwortschatz-Items. Insbesondere die Altersgruppe ab 80 Jahren unterschied sich signifikant von den jüngeren Altersgruppen hinsichtlich des Kernwortschatzes (p<0,05). Verglichen mit den sprachgesunden Personen produzierten die Patient*innen mit durchschnittlich 10,8 Kernwortschatz-Items (3,3 Verben, 7,5 Nomen) signifikant weniger Wörter (Z=-3,079; p<0,05). Bei den Patient*innen zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der mündlichen Benennleistung auf Wortebene (LEMO 2.0) und der Leistung im Kernwortschatz (p>0,05). Es zeigte sich jedoch ein positiver Zusammenhang zwischen den produzierten Kernwortschatz-Verben und dem Kommunikationsverhalten (Spearman´s ρ=0,684; p<0,05). Diskussion: Im Rahmen dieser Studie wurde erstmalig der deutschsprachige Kernwortschatz für das neue CTB entwickelt. Verglichen mit dem englischsprachigen Kernwortschatz (Dalton et al., 2024) zeigten sich sowohl quantitative als auch qualitative Parallelen, jedoch waren auch sprachspezifische Unterschiede zu beobachten. Die Relevanz normativer Daten in Abhängigkeit vom Alter wurde bestätigt. Durch die Bereitstellung altersspezifischer Normdaten zum Kernwortschatz soll die Anwendung des CTB im deutschsprachigen Raum ermöglicht und die klinische Nutzung verbessert werden. Damit wird ein Beitrag zur praxisorientierten Beurteilung der gelenkten Spontansprache für Menschen mit Sprach- und Kommunikationsstörungen geleistet.
Preview
Cite
Access Statistic
